Den unmittelbar umsetzbaren Ansatz mit einem zugleich „großen ökologischen Hebel“ bietet das Kunststoffrecycling.
Mechanisches, lösemittelbasiertes und chemisches Recycling
Auszug aus H.-J. Endres (2023): Quo vadis Kunststoffrecycling?, Jahresmagazin Kunststofftechnik, WAK – Wissenschaftlicher Arbeitskreis Kunststofftechnik, S. 36-44, ISSN: 1618-8357
Den unmittelbar umsetzbaren Ansatz mit einem zugleich „großen ökologischen Hebel“ bietet das Kunststoffrecycling. Das Kunststoffrecycling von Endverbraucher-Abfällen wurde in Deutschland im Wesentlichen durch die erste Verpackungsverordnung vor mehr als 30 Jahren initiiert, welche die Verpackungshersteller für die Entsorgung der daraus entstehenden Abfälle verantwortlich machte. Zuvor waren ausschließlich die Gemeinden für die Abfallentsorgung zuständig. Die Verpackungsverordnung regelte erstmals eine zweite (duale) Entsorgungsschiene. Handel, Industrie und Politik gründeten und beauftragten in Folge das „Duale System Deutschland“ mit der haushaltsnahen Sammlung und Verwertung von Verpackungen als Vorreiter der verschiedenen heute am Markt konkurrierenden dualen Systeme. Seitdem wurden durch die dualen Systeme aus technischer Sicht insbesondere die Automatisierung und der Durchsatz der Abfallaufbereitung mittels des mechanischen Recyclings einzelner vorsortierter Abfallfraktionen (überwiegend Polyolefine) vorangetrieben.
Grundsätzlich gibt es jedoch verschiedene übergeordnete Recyclingverfahren: Mechanisches, lösemittelbasiertes und chemisches Recycling. Während beim mechanischen Recycling die eingebrachten Stoffströme aus den vorbehandelten Abfallströmen im Extruder – abgesehen von Entgasungs- und Schmelzefiltervorgängen – vollständig recycelt werden, werden bei den lösemittelbasierten Verfahren die Polymere selektiv gelöst und zurückgewonnen. Dabei werden sie von begleitenden Polymerkomponenten, Füllstoffen oder auch teilweise Additiven befreit. Das chemische Recycling geht noch einen Schritt weiter und die Polymere werden thermisch, chemisch oder thermochemisch depolymerisiert. Die Depolymerisationsprodukte dienen als Ausgangsstoffe für neue Polymersynthesen. Die verschiedenen Recyclingansätze zeichnen sich jeweils durch unterschiedliche Vor- und Nachteile sowie Reifegrade aus und werden im Folgenden beschrieben und bewertet.
Mechanische Recyclingverfahren
Beim mechanischen Recycling handelt es sich allgemein um eine Kombination verschiedener, mechanischer Vorbehandlungsschritte und einer anschließenden Aufbereitung und Granulierung im (Recycling-)Extruder. Die Qualität des Rezyklats steigt mit einer möglichst hohen Sortenreinheit und geringem Verschmutzungsgrad des Inputstroms. Die Vorbehandlungsschritte wie Sortierung, Trennung, Waschen und Reinigung spielen daher eine entscheidende Rolle für die resultierende Rezyklatqualität. Handelt es sich bei der Compoundierung um einen Extrusionsprozess, bei dem das Inputmaterial „nur“ aufgeschmolzen und ggf. zusätzlich „nur“ noch über Schmelzefilter und Entgasung gereinigt wird, so entsteht als Endprodukt ein Regranulat. Werden beim Extrusionsprozess dagegen gezielt weitere Materialkomponenten zugegeben, z. B. durch das Eincompoundieren von neuen Verstärkungsfasern, Stabilisierungsmitteln, Farbbatches oder auch Primärmaterialien, wird das Granulat am Ende als Recompound oder Regenerat bezeichnet. Handelt es sich dagegen um einen reinen mechanischen Zerkleinerungsprozess ohne ein Auf- oder Umschmelzen im Extruder, so wird von Mahlgut, Flakes, Pulvern, Regrinds, Agglomeraten o. ä. gesprochen1. Diese drei Endproduktgruppen des mechanischen Recyclings – Recompound, Regranulat und Mahlgut – werden unter dem Begriff (mechanisches) Rezyklat subsummiert.
Die mechanischen Recyclingverfahren sind im Vergleich zu den chemischen und lösemittelbasierten Verfahren am weitesten entwickelt. Ihr Marktanteil unter den Recyclingverfahren liegt derzeit im Bereich von 90-95 %2. Wesentliche Vorteile des mechanischen Recyclings gegenüber den anderen Recyclingverfahren sind die nahezu vollständige Materialverwertung, geringe Kosten und robuste Technologien. Aus Umweltsicht ist das mechanische Recycling gegenüber den Primärmaterialien in nahezu allen Wirkungskategorien der Ökobilanzierung deutlich vorteilhafter2.
N.N. (2021), Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevels für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel, DIN SPEC 91446:202112, DIN – Deutsches Institut für Normung e.V., Beuth Verlag GmbH, Berlin
Endres H.-J., Shamsuyeva M. (2022), Composites Recycling, Hrsg. AVK
Lösemittelbasierte Recyclingverfahren
Beim lösemittelbasierten Recycling werden Kunststoffabfälle einer Reihe von Reinigungsschritten unterzogen, bei denen spezielle polymerspezifische Lösemittel (z.B. Tetrahydrofuran (THF), Methylethylketon (MEK), Toluol oder Xylol) oder Lösemittelmischungen verwendet werden, um das/die Zielpolymer(e) mit oder ohne Additive zu lösen, in der Lösung abzutrennen, zu reinigen und am Ende aus der Lösung wieder zurückzugewinnen, ohne dass es dabei zu einer Depolymerisation kommt3. Diese Technologie ermöglicht die Rückgewinnung selektiv lösbarer Polymere.
Endres H.-J. (2020), Recycling and circular economy are not always the same, Polyproblemreport, Hrsg. Röchling Stiftung
Bei der chemischen Verwertung oder dem chemischen Recycling von Kunststoffen gibt es eine Reihe von Unterverfahren. Mit Fokus auf das Kunststoffrecycling sind dies entweder die Solvolyse (chemische Depolymerisation oder Chemolyse) oder die Thermolyse (thermische Depolymerisation). Bei der Thermolyse handelt es sich allgemein um Zersetzungsreaktionen infolge von Erhitzungsvorgängen, während bei der Solvolyse überwiegend mit einem Lösemittel chemisch induzierte Reaktionen zur Depolymerisation führen. Zur Thermolyse gehören Pyrolyse (thermischer Polymerabbau unter Sauerstoffausschluss zu Pyrolyseöl, Pyrolysegas und Pyrolysekohle), Vergasung (partielle Oxidation zu hochkalorischen Gasen) und Flüssiggas-Hydrierung (Addition von Wasserstoff bei erhöhter Temperatur und Druck). Für das Kunststoffrecycling sind insbesondere die Solvolyse-Verfahren und die Pyrolyse bzw. das resultierende Pyrolyseöl relevant.
Beim chemischen Recycling mittels Solvolyse werden allgemein reaktive Lösemittel wie Wasser, Alkohol, Ammoniak oder Glykol, Salpetersäurelösung, Phosphorsäure usw. verwendet, um Ester-, Ether- Amid- oder Urethan-Bindungen chemisch aufzubrechen. Das bedeutet, die Solvolyseverfahren werden insbesondere bei Kondensationspolymeren zur Depolymerisation eingesetzt. Dazu existiert eine breite Vielfalt solvolytischer Verfahrensansätze, die sich neben den verschiedenen reaktiven Lösemitteln durch die jeweiligen Prozesstemperaturen, Drücke und zusätzlich eingesetzte Katalysatoren unterscheiden. Im Hinblick auf diese Prozessparameter wird generell zwischen der LTP- (Low Temperature and Pressure) und der HTP- (High Temperature and Pressure) Solvolyse unterschieden. Darüber hinaus können sie in Abhängigkeit der verwendeten Lösemittel weiter unterklassifiziert werden in Glykolyse, Methanolyse, Hydrolyse und Ammono- (Ammoniak) oder Aminolyse (primäre Amine).
Manzuch Z. et.al (2021), Chemical Recycling of Polymeric Materials from Waste in the Circular Economy, Final report ECHA/2020/571
Eine Depolymerisation kann auch durch das Verweilen der Polymere bei Temperaturen über 300 °C unter Sauerstoffausschluss in inerter Atmosphäre (Pyrolyse) erzielt werden. Die Unterteilung der Pyrolyse allgemein wird u. a. nach der Prozesstemperatur durchgeführt, wobei zwischen langsamer Pyrolyse bei unter 400 °C, moderater Pyrolyse von 400 bis 600 °C und Schnellpyrolyse über 600 °C unterteilt wird5. Produkte der pyrolytischen Prozesse sind neben dem Pyrolyseöl auch die sogenannte Pyrolysekohle als Feststoff und Pyrolysegas, dessen Anteil mit zunehmender Temperatur ansteigt. Bei den meisten Kunststoffen ist das Pyrolyseöl, ein Gemisch aus unterschiedlich langen Kohlenwasserstoffmolekülen, das vorrangige Zielprodukt für das Recycling. Durch weitere Prozessschritte, beispielsweise in einer Crackanlage, können, ähnlich wie für ein konventionelles Rohöl, daraus wieder Monomere zur Herstellung von unterschiedlichen neuen Kunststoffen gewonnen werden. Zur Reduzierung der Kontaminationen und zur Optimierung des enthaltenen Spektrums an Kohlenwasserstoffverbindungen müssen die Pyrolyseöle entweder sehr aufwendig weiter aufbereitet werden oder können nur zusammen mit großen Anteilen an petrochemischem Feedstock verarbeitet werden. Da der erste Weg zu aufwendig und unwirtschaftlich ist, wird das Pyrolyseöl mit petrobasierten Feedstock herunter konzentriert. Dabei ist der Weg des recycelten Kohlenstoffs nicht nachverfolgbar. Die auf Pyrolyse (und teilweise auch auf Solvolyse6) basierenden Rezyklate werden daher über eine Massenbilanzierung, die für biogene Treibstoffe und Biokunststoffe schon länger verwendet wird, erfasst, indem der Input mengenmäßig dokumentiert und die zugehörigen Zertifikate den neu erzeugten Kunststoffen zugewiesen werden. Heteroatome sind bei der Pyrolyse unerwünscht. Beispielsweise können Sauerstoff, Stickstoff, Chlor oder Schwefel die Umwandlungsprozesse erschweren und zu niederwertigeren Pyrolyseprodukten sowie auch geringeren Konversionsraten führen. Als Kunststoffe eignen sich für die Pyrolyse daher insbesondere Polyolefine. Gleichzeitig ist der Energiebedarf zur pyrolytischen Zersetzung von Polyolefinen besonders hoch5. Aus diesem Grund werden unterschiedliche Anlagenkonzepte und Reaktortypen, z. B. unterstützende Mikrowelle oder Wirbelschichtverfahren für möglichst effiziente Pyrolyseprozesse erforscht.
Aguado J., Serrano D. (1999), Feedstock recycling of plastic wastes, Editor Clark J. H., Royal Society of Chemistry, Cambridge
N.N. (2021), Determining recycled content with the „massbalance approach“, Position Paper Zero Waste Europe
Impressum
Das IKK – Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik betrachtet in seiner Forschungsarbeit den gesamten Lebenszyklus von biobasierten und konventionellen Kunststoffen, von der Materialentwicklung bis zur anwendungsorientierten Umsetzung. In diesem Themenkomplex liegt der Schwerpunkt auf Recycling und Ressourceneffizienz.
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